Wiedersehen und Abschied - Nana auf eigenen Wegen

Eisbär-Jungtier Nana geht eigene Wege – Milana und Sprinter kommen sich wieder näher

Es gibt die verschiedensten Arten, Interesse an seinem Gegenüber zu bekunden. Bei Eisbär Sprinter bildete sich unmissverständlicher Schaum vor dem Maul, sobald er Milana sah. Die Bärin wiederum gab die interessantesten Töne von sich, wenn sie Sprinter auch nur roch. Über zwei Jahre hatte sich Milana ausschließlich um ihr erstes Jungtier gekümmert. Jetzt geht Tochter Nana eigene Wege – und Sprinter wittert seine Chance.

Auf Erkundungstour - Eisbaerin Nana - Foto Erlebnis-Zoo Hannover.jpg
Geht jetzt eigene Wege - Eisbärin Nana
Zwei Jahre lang waren Milana und Nana unzertrennlich. Das Jungtier konnte noch so an Mutters Ohren knabbern, ihr Futter klauen, sie unentwegt zum Spielen auffordern, Milana ertrug alles mit bärenstarker Geduld. Niemand durfte ihrem Nachwuchs auch nur nahekommen, schon gar nicht Vater Sprinter. Doch genau wie es die Natur vorsieht, änderte sich das enge Mutter-Tochter-Verhältnis: In der Arktis vertreiben Eisbärenmütter ihre Jungtiere mit etwa zwei bis zweieinhalb Jahren. Und das tat auch Milana. Praktisch über Nacht wollte sie von ihrem quirligen Nachwuchs nichts mehr wissen.
Nana ist der erste Eisbären-Nachwuchs im Erlebnis-Zoo
Nana ist der erste Eisbären-Nachwuchs im Erlebnis-Zoo
Das Zoo-Team war auf den Abnabelungsprozess vorbereitet: „Wir haben die beiden in den letzten Monaten ganz genau beobachtet und sie nach Milanas deutlichen Zeichen gleich getrennt“, erklärt Kurator Fabian Krause. Eine Zeitlang konnten sich die beiden noch auf den nebeneinander liegenden Anlagen sehen und riechen – sollte Milana es sich doch noch anders überlegen. Aber schnell wurde klar, dass Nana nun auf eigenen Pfoten stehen muss. „Eisbärenmütter sind da sehr resolut“, so Krause, in der Arktis ist ein Überleben sonst nicht möglich.
Erwachsen geworden - Eisbaerin Nana - Foto Erlebnis-Zoo Hannover.jpg

Eisbärin Nana ist erwachsen geworden

Nana wird daher bald in einen anderen Zoo ziehen – entweder zu einem Männchen oder zunächst in eine Weibchengruppe. „Wir arbeiten mit dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm zusammen bei der Suche nach dem besten Platz für Nana“, erzählt der Kurator. Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) ist – vereinfacht ausgedrückt – die wissenschaftliche Kontaktbörse für bedrohte Tierarten. Jede Tierart hat einen Experten, der alle Daten der Tiere aus den diversen Zoos sammelt und sämtliche Verwandtschaftsverhältnisse kennt. So wird vermieden, dass verwandte Tiere miteinander verpaart werden, dass es – deutlich gesagt – nicht zu Inzucht kommt. Denn Nachkommen von verwandten Tieren könnten vermehrt Erbkrankheiten bekommen, geschwächte Abwehrmechanismen gegen Krankheiten und damit auch eine höhere Junggtiersterblichkeit aufweisen.
 Eisbären Milana und Sprinter wieder vereint
Im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms bekamen Sprinter und Milana 2019 eine Zuchtempfehlung
Ziel des EEP ist, Tierarten in den Zoos mit all ihren spezifischen Merkmalen für die Zukunft zu erhalten. Die genetische Vielfalt innerhalb der jeweiligen Population, also der über Europa verteilten Gruppen, muss daher möglichst groß sein. Daher werden die Tiere mit Hilfe des EEP zwischen den Zoos ausgetauscht, manche reisen sogar um die ganze Welt zu ihrem neuen Partner, ihrer neuen Gruppe. „Wohin Nana gehen wird, wird auf der Basis von vielen Faktoren entschieden“, erklärt Krause.
Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) sucht nach einem neuen Zoo für Eisbärin Nana
Die Eisbären-Anlage in Yukon Bay ist so angelegt, dass dort drei Bären gleichzeitig auf getrennten Anlagen – zwei vor und eine hinter den Kulissen – leben können. Bis Nana in einen anderen Zoo zieht, nutzen Mutter und Tochter immer unterschiedliche Bereiche, so dass sich die beiden nicht mehr treffen.
Umso mehr treffen sich jetzt Milana und Sprinter wieder. Nach den eindeutigen Zeichen ließ das Zoo-Team die zwei zusammen, auf dass sie sich in der großen Bucht von Yukon Bay neu kennenlernen können. Wie schon 2019, sind sich Milana und Sprinter sehr zugetan: Sie beschnuppern sich, verfolgten einander, beknabbern sich. Die deutlich kleinere Bärin fordert den imposanten 600-kg-Sprinter immer wieder zum Spielen auf und kämpft ausgiebig mit ihm im Wasser – wobei Sprinter seine körpermäßige Überlegenheit nie ausspielt. Er lässt Milana gewinnen und zieht sich, von deren Übermut und Ausdauer erschöpft, gerne mal für ein Nickerchen zurück. Aber es dauert nie lange, dann liegen die beiden wieder kuschelnd zusammen.
Eisbär spielt mit Tonne
Nachwuchs ist diesmal jedoch nicht geplant. In den vergangenen Jahren war die Nachzucht von Eisbären innerhalb des EEP so erfolgreich, dass die Koordinatoren die Anzahl der Zuchtempfehlungen stark verringert haben – schließlich braucht jedes Jungtier irgendwann einen neuen Platz in einem Zoo. Für Milana und Sprinter gab es erst einmal keine Empfehlung, was sich aber in den nächsten Jahren wieder ändern kann. Bis dahin wird „verhütet“ – Sprinter trägt ein Implantat, dass den Testosteronspiegel vorübergehend senkt.
Damit das Treffen der beiden keine Routine wird, sind Milana und Sprinter nicht jeden Tag zusammen. „Wir beobachten, wie sie aufeinander reagieren und entscheiden dann von Tag zu Tag“, erklärt Fabian Krause. Manchmal bleiben die beiden auch getrennt voneinander hinter den Kulissen. Dann tobt Nana durch die Bucht in Yukon Bay. „Wir alle möchten die verbleibende Zeit mit Nana genießen und sie oft wie möglich sehen“, so Krause, „und auch wenn sich das vermenschlicht anhört – wir werden unseren weißen Wirbelwind sehr vermissen.“
Eisbärjungtier Nana bei ihrem ersten Ausflug
Eisbärjungtier Nana bei ihrem ersten Ausflug

Backstage Facts: Wissenschaftlicher Datenschatz

Ohne computergestützte Vernetzung wäre die europa- und weltweite Kooperation der Erhaltungszucht in den Zoos kaum möglich. In der globalen Zootierdatenbank ZIMS (Zoological Information Management System, Species360) fließen Tierbestandssaten aus über 1.200 zoologischen Einrichtungen aus aller Welt zusammen. Mittlerweile bilden Informationen über mehr als zehn Millionen Tiere aus über 22.000 Arten einen Wissensschatz, der für die wissenschaftliche Arbeit in Zoos, aber auch zunehmend für die Forschung herangezogen wird.