Gürtelvari

Schattengeister

Artenschutz
Forschung & Wissenschaft

EcoSound-Projekt: Einsatz für die Tierwelt Madagaskars

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Frühjahr 2024 der Zoo-Zeitschrift JAMBO!.

Madagaskars Artenvielfalt ist einzigartig und bedroht

Haben Sie schon mal vom Diademsifaka gehört? Oder einen Kronenmaki gesehen? Vielleicht kennen Sie ja den Gürtelvari aus dem Erlebnis-Zoo! Sifakas, Makis, Varis – das alles sind Lemuren. Lemuren sind Säugetiere. Innerhalb der Säugetiere gehören sie zu den Primaten, und innerhalb der Primaten zu den Feuchtnasenprimaten.
Der Name „Lemuren“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Schattengeister“. Dieser Name wurde vermutlich gewählt, weil die meist nachtaktiven, scheuen Tiere mit den großen Augen irgendwie mystisch wirken. Es gibt über 100 verschiedene Lemuren-Arten, von Mäuse-klein bis Schäferhund-groß. Manche leben in Trockenwäldern und andere in Regenwäldern. Doch alle Lemurenarten haben zwei wichtige Gemeinsamkeiten: Sie sind ausschließlich auf der Insel Madagaskar beheimatet – und sie sind stark bedroht.
Lemur

Immer im Partner-Kontakt: der Rotschwanz-Wieselmaki (Lepilemur ruficaudatus)

Insel der Vielfalt

Madagaskar ist die viertgrößte Insel der Welt und liegt vor der Südostküste Afrikas, im Indischen Ozean. Sie ist ein einzigartiger Ort der Artenvielfalt, denn die Tier- und Pflanzenwelt dort hat sich über 80 Millionen Jahre lang getrennt vom Festland entwickelt – und Arten hervorgebracht, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Die Lemuren sind nur eines der bemerkenswerten Beispiele. Die Insel beherbergt auch faszinierende Reptilien und Amphibien, darunter die Spinnenschildkröte und die bunte Familie der Madagaskarfrösche (Mantellidae). Die zahlreichen Froscharten tragen einmalige Muster und viele sind giftig! Ebenso hat Madagaskars Vogelwelt einiges zu bieten: Seidenkuckucke mit farbenfrohen Federkleidern oder die sogenannten Vangawürger, die für ihre besonderen Schnabelformen bekannt sind – Anpassungen an die unterschiedlichen Lebensräume und Nahrungsnischen auf der Insel.
Vangawürger
Spinnenschildkröte

Der Sichelvanga mit seinem gebogenem Schnabel und die Madagassische Spinnenschildkröte (im Erlebnis-Zoo zu sehen)

Die Lebensräume auf Madagaskar sind so vielfältig wie die Arten, die sie bewohnen.

Im Westen der Insel findet man trockene Laubwälder, im Osten feuchte Regenwälder. Außerdem gibt es Savannen, Grasland, Mangrovenwälder, Bergregionen. Doch der Mensch hat tiefe Spuren in dieser Natur hinterlassen. Abholzung, Brandrodung, Besiedlung und landwirtschaftliche Nutzung führen zu massiven Lebensraumverlusten.
Rund 80% der Waldflächen sind bereits verschwunden, über 850 der in der Roten Liste erfassten Tierarten Madagaskars gelten als bedroht! Auch die Wilderei für Buschfleisch, der illegale Tierhandel und die Einschleppung invasiver Arten tragen zur kritischen Lage bei. Madagaskar steht vor der großen Herausforderung, einen Weg zu finden, menschliche Bedürfnisse mit dem Schutz seiner einzigartigen Natur in Einklang zu bringen.
Ein intakter Dornbuschwald im Süden Madagaskars
Madagaskars Wälder werden abgeholzt

Ein intakter Dornbuschwald im Süden Madagaskars im Vergleich zu abgeholzten Wäldern

Geräuschvoller
Artenschutz

Logo Stiftung Artenschutz & Chances for Nature

Der Zoo unterstützt das Ecosounds-Projekt zum Schutz von Madagaskars Tierwelt

Lebensräume und Arten auf Madagaskar schützen: Dieses Ziel verfolgt auch der Erlebnis-Zoo, und zwar gemeinsam mit der Stiftung Artenschutz und dem Verein Chances for Nature e.V. Die Madagassischen Spinnenschildkröten im Zoologicum, die schwarzweißen Gürtelvaris und die beliebten Kattas am Tropenhaus – sie alle sind Botschafter für das Artenschutzprojekt „EcoSounds Madagaskar“.
Um Arten schützen zu können, muss man sie erforschen und verstehen. Genau hier setzt das Projekt an.
Im Rahmen des Projekts wurden an über 50 Standorten in den Wäldern Madagaskars Geräte installiert, welche die Tierlaute von Lemuren, Vögeln und Co. aufnehmen. Denn auch wenn Madagaskars Tiere als „Schattengeister“ oft im Verborgenen leben: Sie kommunizieren über artspezifische Rufe miteinander und geben sich so zu erkennen.
Mit den Lautaufnahmen kann ermittelt werden, welche Tierarten – und wie viele Tiere davon – noch in den Wäldern leben, und zu welcher Tageszeit sie besonders aktiv sind. Rotschwanz-Wieselmakis etwa, eine akut vom Aussterben bedrohte Lemurenart, leben in Paaren und teilen ihrem Partner nachts regelmäßig mit, wo sie sich gerade befinden. Und Aufnahmen vom Sichelvanga zeigen: Der Singvogel zwitschert hauptsächlich morgens von 5:00 bis 8:00 Uhr sowie kurz vor Sonnenuntergang!
Tonbandgerät zum Aufnehmen von Tiergeräuschen

Passives akustisches Monitoring: Tonbandgerät zum Aufnehmen von Tiergeräuschen

Diese „geräuschvolle“ Artenschutz-Methode heißt „passives akustisches Monitoring“ – passiv, da bedrohte Arten so ohne Störung erforscht und überwacht werden können. Ziel des Monitorings ist, die Ökologie der Arten besser zu verstehen und den aktuellen Bedrohungs-Status möglichst vieler Arten zu erfassen. Mit diesem Wissen können in der nächsten Projektphase passende Schutzmaßnahmen für Tiere und Lebensräume ergriffen werden.

Wussten Sie schon?

Damit die Tierarten auf den Lautaufnahmen automatisch erkannt werden können, muss es eine „Laut-Bibliothek“ geben – also eine Datenbank der Laute madagassischer Tierarten.
Zoos können zu so einer Laut-Bibliothek beitragen und Aufnahmen ihrer Tiere bereitstellen!
Gürtelvari
Kattas

Gehört zu den Lemuren: der Gürtelvari und der Katta

Außerdem eignet sich die Methode hervorragend, um den Erfolg von solchen Schutzmaßnahmen auszuwerten! Konnte der Einsatz von Rangern gegen Wilderei bewirken, dass die Anzahl der Tiere im Gebiet stabil geblieben ist? Oder ist sie sogar gestiegen? Hat das Einrichten eines Korridors zwischen zwei getrennten Waldteilen dazu geführt, dass eine Art den Waldteil, in dem sie früher einmal vorkam, wieder besiedelt hat?
Viele weitere Artenschutzprojekte auf Madagaskar könnten ihre Erfolge so messen und von der Methode profitieren. Denn um die große Vielfalt der bedrohten Tierarten Madagaskars zu schützen, müssen alle an einem Strang ziehen: Forschende, Zoos und Naturschutzorganisationen vor Ort!
Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Frühjahr 2024 der Zoo-Zeitschrift "JAMBO!".